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Channel: ostpol » Gastblogger Ali T.
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STATUS B. –“Brillante” Aktionen

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In Inguschetien wurde vor einigen Tagen eine, wie der russische Geheimdienst zu sagen pflegt, „brillante Anti-Terror-Operation“ durchgeführt: Am helllichten Tag wurden unter zahlreichen Zeugen fünf Pkw-Insassen mit Maschinengewehren erschossen. Eine halbe Stunde später ging das Fahrzeug mitsamt den Leichen in die Luft, wahrscheinlich aufgrund eingebauter Sprengsätze.

Sofort erfolgte eine heroische Pressemitteilung des Nationalen Anti-Terror-Komitees, in der  mitgeteilt wurde, dass in Inguschetien dank des bewaffneten Widerstands Terroristen getötet wurden, die schreckliche Anschläge geplant hätten. Nur erwähnte das Anti-Terror-Komitee nicht, dass sich unter den Getöteten eine 53-jährige Frau befand und dass es jede Menge Augenzeugen gab.  

Nachdem sich in der Blogosphäre über die Aktion ein Skandal entfachte, war der inguschische Präsident Jewkurow dazu gezwungen, eine Reihe unangenehmer Fragen zu beantworten. Zuerst murmelte er etwas von einer standesgemäßen Wahrung der Verfassung. Dann teilte er mit, dass unter den fünf Toten zwei Terroristen gewesen seien und dass die restlichen drei an ihrem Tod selbst schuld seien – hätten sie doch wissen müssen, zu wem sie sich ins Auto setzen.

Seine Aussage, dass die Sicherheitskräfte unter den gegebenen Umständen nicht mit weißen Handschuhen arbeiten könnten, wurde zum geflügelten Wort. Das ist doch eine wunderschöne Entschuldigung, nicht wahr?

Innerhalb der vergangenen zehn Jahre, zwischen 2002 und 2012, wurden in Inguschetien etwa 3.000 Menschen vom russischen Geheimdienst entweder getötet oder verschleppt. Einige sind nach ihrer Verschleppung spurlos verschwunden.

Im Nordkaukasus, da gelten keine Gesetze der Russischen Föderation. Hier lebt man schon lange nach den harten Gesetzen der Berge: einer seltsamen Mischung zum einen aus einheimischen Traditionen, ungeschriebenen Gesetzen krimineller Banden –  von denen einige dem Islamismus nahe stehen – , und zum anderen aus Methoden des Regierungs- und Antiregierungsterrors.

Dank dieser Gegebenheiten fällt es im Nordkaukasus sehr schwer, Terroristen von Antiterroristen, oder Beamte von Verbrechern zu unterscheiden. An die Verfassung, die Gesetze, die Achtung von Menschenrechten erinnerte man sich hier zuletzt während des Besuchs von Lord Judd (ach Gott, ich weiß gar nicht mehr, wann das überhaupt war).

Und so habe ich keine weiteren Fragen an Herrn Jewkurow und an seine Pflichten als Präsident von Inguschetien. Es ist sowieso klar, dass er sich weniger für das Einhalten von Gesetzen einsetzt, als für das Vertuschen der Willkürherrschaft des Geheimdienstes.

Vielmehr habe ich ein paar Fragen an den frischgebackenen Präsidenten Russlands, Herrn Putin: Wie viele von den 450.000 Inguschen müssen seine ehemaligen Kollegen noch umbringen? Wann kehrt in der etwa ein Dutzend Hektar großen Republik Frieden ein? Und wann verwandelt sich die Verfassung der Russischen Föderation aus ihrem Feigenblatt-Dasein in eine Sammlung real auszuführender, gesetzgebender Normen?

Aus dem Russischen von Maria Ugoljew


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